caricato da Utente14079

Bauen-mit-Holz-DETAIL-2018-1-2

24 Essay 1/2.2018
∂
Der Holzbau kehrt in die Stadt zurück
Timber Construction Returns to the City
Text: Jakob Schoof
Penda
62 Meter hoch soll
­dieser 18-geschos­sige
Wohnturm werden,
den das österreichisch-chinesische
Architekturbüro Penda
in T
­ oronto konzipiert
hat. Inspiriert von
­Moshe Safdies Wohnkomplex Habitat 67
planten die Architekten eine modulare
Struktur aus Raumzellen, die ihrerseits aus
Brettsperrholztafeln
vorgefertigt werden.
Eine Bau­ge­nehmigung
für das Hochhaus
steht noch aus.
With a planned height
of 62 metres, this
18­- storey housing
­tower was conceived
for Toronto by Penda,
an Austrian-Chinese
­a rchitecture practice.
Inspired by Moshe
Safdie’s Habitat 67
housing complex, the
architects designed
a modular structure of
spatial cells that are
prefabricated from
cross laminated timber.
This high-rise has
yet to obtain a building
permit.
Holzbau in der Stadt Timber Construction in the City
25
Rund um den Globus erlebt der mehrgeschossige
­Holzbau derzeit eine Renaissance. Ein großer Teil des
­Aufschwungs vollzieht sich buchstäblich im Verbor­
genen. Trotz aller regionalen Unterschiede sind die
Triebkräfte und Hemmnisse der Entwicklung vieler­
orts ähnlich, wie der folgende Ausblick nach Kanada,
­England und Skandinavien zeigt.
Currently multi-storey timber construction is experiencing
something of a renaissance all around the globe. ­
A sizable part of this upswing is, quite literally, hidden from
view. Despite regional differences, the motors that drive
development and the obstacles that hinder it are similar
in many places, as the following look at the situation in
Canada, England and Scandinavia reveals.
Kanada: Die Wälder in die Stadt holen
Kanada besitzt nach Russland und Brasilien die dritt­
größten Waldflächen der Erde, noch knapp vor
den USA. Dennoch wurden hier in den vergangenen
Jahren nur rund halb so viel Nutzholz und Holzwerk­
stoffe erzeugt wie im südlichen Nachbarland. Ein
Grund ist, dass in Kanada größere Waldflächen unter
Schutz stehen als in den USA. Dennoch besteht
Nachholbedarf bei der Waldnutzung. Viele Provinz­
regierungen haben daher in den letzten Jahren
Gesetze erlassen und Initiativen gestartet, um die
Holznutzung auch im Bauwesen zu stärken. Eine
Vorreiterrolle spielt dabei vor allem Kanadas west­
lichste Provinz British Columbia.
Beim mehrgeschossigen Holzbau können
Kanada und die nördlichen US-Bundesstaaten auf
eine lange Tradition zurückgreifen. Um die Wende
vom 19. zum 20. Jahrhundert entstanden in den
Großstädten bis zu neungeschossige Industrieund Lagergebäude in der sogenannten Brick-andBeam-­Konstruktion. Ihre Außenwände bestehen
aus massivem Ziegelmauerwerk, die innere Trag­
konstruktion jedoch aus einem Holzskelett aus
schweren Balken. Diese Bauweise gewährleistete
größte Flexibilität bei der Raumaufteilung und
zugleich Brandschutz nach außen sowie ein reprä­
sentatives Erscheinungsbild. Eine Studie zählte
vor einigen Jahren fast 20 noch bestehender Brickand-Beam-Gebäude mit mehr als fünf Geschossen
in Vancouver und fast 40 in Toronto. Zu den ein­
drucksvollsten Vertretern der Bauweise gehören The
­Landing (1905) und das Leckie Building (1908) in
Vancouver sowie Butler Square (1908) in Minneapolis.
Die meisten der Gebäude wurden inzwischen zu
hochpreisigen Bürogebäuden umgenutzt.
Erst 1941 wurde in Kanada das erste nationale
Baugesetz verabschiedet, das auf den entsprechen­
den US-amerikanischen Regelungen basierte. Darin
wurde der Holzbau pauschal auf sieben, später auf
X
Edition ∂
Atlas Mehrgeschos­
siger Holzbau
Manual of Multistorey
Timber Construction
Das neue Standardwerk vermittelt alles
notwendige Fachwissen für die Planung
und den Bau zeitge­
mäßer, mehrgeschossiger Holzbauten.
This new standard
work contains all the
specialised knowledge
needed for the design
and construction of
contemporary multistorey timber buildings.
The English edition
will be published in
May 2018.
detail.de/shop2018
Canada: bringing the forests into the city
Canada has the world’s third-largest amount of
­forests after Russia and Brazil and just ahead of the
USA. Yet in recent years it has produced only half
as much timber and timber-based material as its
southern neighbour. One reason is that Canada protects far larger areas of woodland than the USA.
There is however, a clear need to catch up as regards
making use of wood. In recent years many provincial
governments have passed laws and launched initiatives to increase the use of timber also in the field of
building. Here Canada’s westernmost province British
Columbia plays a pioneering role.
Canada and the northern states of the USA can
look back on a long tradition of multi-storey timber
building. At the end of the 19th century industrial and
storage buildings up to nine storeys high were
erected in the big North American cities using what is
known as brick and beam construction. The external
walls consist of solid brickwork, the internal loadbearing structure is a timber frame with heavy beams.
This construction method allows maximum flexibility
in dividing up the space and offers external fire protection and a representative appearance. A study
made several years ago identified almost 20 brick
and beam buildings more than five storeys high still
in existence in Vancouver and nearly 40 in Toronto.
The most impressive examples of this method
include The Landing (1905) and the Leckie Building
(1908) in Vancouver as well as Butler Square (1908)
in Minneapolis. Most of these buildings have been
converted into high-price office blocks.
It was only in 1941 that a national law was
passed in Canada based on similar legislation in the
USA. Timber building was restricted to seven storeys
and later, in response to calls by the fire brigade,
to just four storeys – the maximum height easily
reachable by the fire engines of the time. But in any
case concrete or steel frame buildings offered an
economic advantage. Towards the end of the 20th
century the emergence of new materials such as timber I-joists, cross laminated timber and glulam made
multi-storey timber building economically attractive
again and introduced a new dynamic. In 2009 the
Provincial Government of British Columbia made two
pioneering decisions: it permitted timber buildings
up to six storeys and also passed the Wood First Act.
This decrees that in all new buildings erected by the
state timber is to be used as a structural material
wherever technically and economically reasonable.
In 2013 the province of Québec also introduced
the relaxation of fire protection legislation and in
2016 these laws were passed throughout the country.
Estimates from Initiative Wood Works show that
in British Columbia alone more than 300 five and sixstorey timber residential buildings have been erected
since 2009 – mostly using timber frame construction.
In recent years the universities and the state have
also emerged as timber building clients: in 2012 the
Earth Sciences Building of the University of British
Columbia (UBC), a five-storey timber frame office,
seminar and lab building, was completed in Vancouver
to plans by Perkins + Will. Two years later Michael
Betreiben der Feuerwehr auf vier Geschosse redu­
ziert – die größte Höhe, die sich mit damaligen
Löschfahrzeugen noch gut erreichen ließ. Ohnedies
hatten inzwischen die Beton- und Stahlskelett­bau­
weise auch wirtschaftlich die Nase vorn. Erst als
gegen Ende des 20. Jahrhunderts neue Werkstoffe
wie Holzstegträger, Brettschichtholz und Brettsperr­
holz den mehrgeschossigen Holzbau erneut wirt­
schaftlich attraktiv machten, kam wieder eine neue
Dynamik in die Entwicklung. 2009 fällte die Provinz­
regierung von British Columbia schließlich zwei
­wegweisende Entscheidungen: Sie erlaubte wieder
Holzbauten bis zu sechs Geschossen und verab­
schiedete außerdem den Wood First Act. Dieses
Gesetz besagt, dass bei allen Neubauten der öffent­
lichen Hand Holz als tragender Baustoff verwendet
werden soll, sofern dies technisch und wirtschaftlich
vertretbar ist.
2013 wurde die Lockerung der Brandschutz­
vorschriften auch in der Provinz Québec und 2016
schließlich im ganzen Land nachvollzogen.
Nach Schätzungen der Initiative Wood Works
sind allein in British Columbia seit 2009 über 300
fünf- und sechsgeschossige Wohnhäuser aus Holz
entstanden – die meisten in Holzrahmenbauweise.
Aber auch die Hochschulen und die öffentliche
Hand haben sich in den letzten Jahren als Bauherren
hervorgetan: 2012 wurde nach Plänen von Perkins +
Will das Earth Sciences Building der University of
British Columbia (UBC) in Vancouver fertiggestellt,
ein fünfgeschossiges Verwaltungs-, Seminar- und
Laborgebäude in Holzskelettbauweise. Zwei Jahre
später errichteten Michael Green Architects in Prince
George das siebengeschossige Wood Innovation
and Design Centre ganz ohne Betonbauteile, mit
aussteifendem Brettsperrholzkern und außen umlau­
fender Holzskelettkonstruktion. Mithilfe computer­
gestützter Brandsimulationen und einer entsprechen­
den Überdimensionierung der Bauteile gelang es
sogar, die Holzoberflächen im Gebäudeinneren weit­
gehend sichtbar zu belassen.
Ebenfalls ein Holzskelettbau ist das Studenten­
wohnheim Brock Commons von Acton Ostry
Architects auf dem Campus der University of British
Columbia, mit 18 Geschossen das bislang höchste
Holzhaus der Welt. Weil es sich weit außerhalb des
gesetzlich geregelten Rahmens bewegt, war für
den Bau eine Sondergenehmigung erforderlich, die
Brandschutzgutachten und -tests voraussetzte. In
diesem Fall erhielt die Konstruktion innen eine mehr­
lagige Verkleidung mit Gipskarton und im ganzen
Haus wurde eine Sprinkleranlage installiert.
Die jüngsten Höhenrekorde haben auch die
Fantasie anderer Architekten und Investoren be­­
feuert. Für einen Bauplatz in der Innenstadt von
­Vancouver plant Shigeru Ban derzeit das Terrace
House, einen 19-geschossigen Wohnungsbau mit
Hybridkonstruktion aus Stahl, Holz und Beton. Er soll
­voraussichtlich 71 Meter hoch werden. Für Toronto
hat das chinesisch-österreichische Architekturbüro
Penda gemeinsam mit der Holzbau-Beratungsfirma
Tmber den 18-geschossigen Toronto Tree Tower
konzipiert. Äußerlich erinnert das Hochhaus mit
1/2.2018
Waldfläche nach
­L ändern in Mio. Hektar
Forested area in different countries, in millions
of hectares
Russland
Russia
810
Kanada
Canada
310
Schweden
Sweden
28
Deutschland
Germany
11,4
Großbritannien
Great Britain
3,1
∂
Green Architects erected the seven-storey Wood
Innovation and Design Centre in Prince George
entirely without concrete elements, using a bracing
cross laminated timber core and an external timber
frame construction. Computer assisted fire simulations and over-dimensioned building elements
made it possible to expose the timber surfaces in
the interior of the building.
Brock Commons student residence by Acton
Ostry Architects on the campus of the University of
British Columbia is also a timber frame building. Its
18 storeys make it the tallest timber building in the
world so far. As it is outside the framework covered
by the building regulations it required a special
­permit which involved fire protection expert reports
and tests. In this case the structure was clad internally with plasterboard and a sprinkler system was
fitted throughout the building.
The most recent height records have inspired
other architects and investors. Shigeru Ban is currently designing the Terrace House, a 19-storey
apartment building with a hybrid construction of
steel, timber and concrete for a site in Vancouver’s
inner city. The planned height is 71 metres. For
Toronto the Chinese-Austrian architecture office
Penda together with the timber building consultants
Tmber have conceived the 18-storey Toronto Tree
Tower. This building’s animated external volume
is somewhat reminiscent of Moshe Safdie’s “Habitat
67” in Montreal. In contrast to the earlier building the
individual prefabricated spatial cells use cross laminated timber rather than concrete.
London: pioneer thanks to imported timber
Until the early modern period London was also a city
built of timber, more precisely of oak. The half-timber
buildings were generally made from native hardwood.
Softwood (usually from the Baltic) only appeared in
Great Britain in the 17th century, when the building
of the fleet consumed increasing amounts of timber.
However, the London Building Act of1667 had
already severely restricted timber construction. In
reaction to the disastrous conflagration a year earlier
which destroyed 80 % of the city, it decreed wider
streets and a new construction method: the external
walls of all buildings were to be made of brick or stone
and fire walls had to be continued above the roof.
From the 1920s onwards, starting from Sweden,
modern timber frame construction began to establish
itself in Great Britain, too. Initially confined to singlefamily houses, timber building experienced a small
boom in the 1970s until in 1984 a critical TV report
about poor quality and the danger of fire in timber
houses caused the market to practically collapse.
Nevertheless, fire safety restrictions were gradually
eased in the following years: from 1988 four-storey
timber buildings were permitted and from 1991
­five-storey. At the end of the 1990s further relaxations were introduced as a result of tests carried out
on a six-storey Building Research Establishment
(BRE) test building. However, the discussion about
fire safety continued, above all when a year later it
was revealed that the BRE test had not been as
Datenquellen für Grafik / Data sources for graphics: FAO, Eurostat
26 Essay 27
Innen Holz, außen
­Z iegelmauerwerk –
diese Materialkom­bi­
nation ist an vielen
­ä lteren Industriebauten in Kanada und
dem Norden der USA
zu finden. The Landing
in Vancouver entstand
Anfang des 20. Jahrhunderts als Lagerhaus. 1987 wurde es
saniert und zum Bürohaus umgenutzt.
Timber inside, brickwork outside – a combination of materials
to be found in many
older industrial buildings in Canada and
the northern USA. The
Landing in Vancouver
was built as a warehouse at the beginning
of the 20th century.
Following r­ enovation in
1987 it was converted
into an office building.
Photo: Martin Tessler / Courtesy: Perkins+Will
Canadian2006 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:The_Landing_
Vancouver.jpg), „The Landing Vancouver“, colour, CC BY-SA 3.0
Holzbau in der Stadt Timber Construction in the City
Das Earth Science
Center der University
of British Columbia
in Vancouver von
­Perkins + Will zählte
zu den ersten fünf­
geschossigen Büro­
gebäuden aus Holz
nach der Lockerung
der regionalen Brandschutzvorschriften
2009. Für die Tragkonstruktion kombinierten
die Architekten Brettsperrholzelemente,
Brettschichtholzträger
und Holz/Beton-­
Verbundelemente.
The Earth Science
Center of the University
of British Columbia in
Vancouver by Perkins +
Will was one of the first
five-storey office buildings to be built of
­t imber after the relaxation of the regional fire
protection regulations
in 2009. In the loadbearing structure the
architects combined
cross laminated timber
elements with glulam
beams, and wood
and concrete composite elements.
28 Essay Sieben Geschosse,
davon sechs in Holzbauweise:
Bürogebäude T3 von
Michael Green Archi­
tecture in Minneapolis/
USA
Seven storeys high,
of which six were built
in timber construction:
T3 office building by
Michael Green Archi­
tecture in Minneapolis,
USA
detail.de/
1-2-2018-green
∂
s­ uccessful as originally reported: hours after the fire
appeared to have been extinguished the fire brigade
had to return. Apparently, the timber construction
in the wall cavities had continued to smoulder and
ignited again some time later.
Today timber frame construction has a market
share of around 15 % in single-family and apartment
building in Britain, although there are sizable regional
differences: in Scotland 75 % of all new residential
buildings are erected of wood, in England only 9 %.
The timber construction industry hopes to
defuse the fire safety discussion somewhat by the
use of solid timber panels. The relatively poor urban
district of Hackney in north-east London is playing
a pioneering role here. At the instigation of the lobbyist Wood for Good (and with reference to British
Columbia’s Wood First Act) in 2012 the district
administration wanted to pass a regulation requiring
all new buildings to be built of wood – wherever
­economically reasonable. Objections to this proposal
were soon raised by the cement and brick industry
and some planners and even the UK Green Building
Council also voiced opposition. Fearing the threat of
legal action the administration backpedalled and
since then has attempted to encourage timber
­construction in more informal ways – through information campaigns and discussions with investors
who wish to build. The success is undeniable:
Banyan Wharf by Hawkins\Brown (2016, 50 dwelling
units) and Dalston Lane by Waugh Thistleton
Architects (2017, 121 dwelling units), the country’s
Bis zu 10 Geschosse
hoch ist der Wohnund Bürokomplex
­Dalston Lane (Waugh
Thistleton Architects
2017) im Osten von
London. Von der Massivholzkonstruktion
ist nach der Fertigstellung nichts mehr zu
sehen, weil die ört­
liche Baubehörde eine
­Z iegelfassade forderte.
Waugh Thistleton Architects
London: Vorreiter dank Importholz
Bis in die frühe Neuzeit hinein war auch London
eine Stadt aus Holz, genauer: aus Eichenholz.
Die Fachwerkhäuser wurden in der Regel aus
­ein­heimischem Laubholz errichtet. Nadelholz
(zumeist aus dem B
­ altikum) kam in Großbritan­
nien erst auf, als der Flottenbau im 17. Jahrhundert
immer größere Holzmengen verschlang. Zu die­
sem Zeitpunkt hatte jedoch der London Building
Act von 1667 die Holzbauweise bereits stark ein­
geschränkt. Das Gesetz wurde als Reaktion auf
den verheerenden Großbrand im Jahr zuvor erlas­
sen, in dem 80 % der Stadt niederbrannten. Es
schrieb unter anderem eine Verbreiterung der
­Straßen sowie eine neue Bauweise vor: Die Außen­
wände aller Häuser mussten fortan aus Ziegeln
oder Naturstein bestehen und die Brandwände bis
über das Dach geführt werden.
Ab den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts
begann die moderne Holzrahmenbauweise aus­
gehend von Schweden auch in Großbritannien Fuß
zu fassen. Zunächst beschränkte sie sich auf den
Einfamilienhausbau und erlebte vor allem in den
70er-Jahren einen kleinen Boom, bis 1984 ein kriti­
scher Fernsehbericht über Qualitätsmängel und
Brandgefahren in Holzhäusern den Markt praktisch
zum Erliegen brachte. Dennoch wurden in den
­Folgejahren die Brandschutzbestimmungen sukzes­
sive gelockert: Ab 1988 waren viergeschossige, ab
1991 fünfgeschossige Holzbauten erlaubt. Weitere
Erleichterungen brachten Ende der 90er-Jahre
Brandschutztests an einem sechsgeschossigen
­Versuchsgebäude des Building Research Establish­
ment (BRE). Die Diskussionen um die Brandsicher­
heit gingen dennoch weiter, vor allem als Jahre
­später bekannt wurde, dass der Test des BRE
keines­wegs so positiv gelaufen war wie ursprünglich
angegeben: Stunden nachdem der Brand bereits
gelöscht schien, musste die Feuerwehr aufs Neue
anrücken. Offenbar hatte die Holzkonstruktion in den
Wandhohlräumen weitergeglommen und sich nach
einiger Zeit erneut entzündet.
Heute hat die Holzrahmenbauweise im briti­
schen Ein- und Mehrfamilienhausbau einen Markt­
anteil von 15 %, wobei es starke regionale Unter­
schiede gibt: In Schottland werden 75 % aller neuen
Wohngebäude aus Holz errichtet, in England dage­
gen nur 9 %.
Mit der Verwendung von Plattenwerkstoffen aus
Massivholz hofft die Holzbaubranche außerdem,
der Brandschutzdiskussion die Spitze nehmen zu
können. Eine Vorreiterrolle nimmt dabei ausgerech­
net der eher arme Stadtbezirk Hackney im Nordos­
ten von London ein. Auf Betreiben der Lobbyorgani­
sation Wood for Good (und in Anlehnung an den
Wood First Act in British Columbia) wollte die Bezirks­
verwaltung 2012 eine Bestimmung erlassen, dass
W
Daniel Shearing
s­ einer bewegten Kubatur ein wenig an Moshe Saf­
dies Habitat 67 in Montreal. Anders als beim Vorbild
sollen die einzelnen Raumzellen hier jedoch nicht
aus Beton, sondern aus Brettsperrholz vorgefertigt
werden.
1/2.2018
Situated in east London,
Dalston Lane housing
and office complex
(Waugh Thistleton
Architects 2017) is up
to 10 storeys high.
In the completed building nothing can be
seen of the solid timber
construction, as the
­local building authority
called for a brick
­facade.
Nur ein Jahr betrug die
Planungs- und Bauzeit beim Schulungsgebäude des Bezahl­
senders Sky von Arup
Associates westlich
von L
­ ondon. Das regel­
mäßige Brett­schicht­
holz­skelett erlaubt
eine ­fl exible Aufteilung
der Geschossflächen.
Die über alle vier
­G eschosse reichende,
verglaste Haupttreppe kragt aus dem
­G ebäude Richtung
Vorplatz aus.
A planning and construction period of
just one year was all
that was required
for Arup Associates’
training building for
the pay TV company
Sky, to the west of
London. The regular
glulam frame allows
a flexible layout of
spaces. Extending
through all four storeys,
the glazed main staircase projects out of
the building towards
the forecourt.
alle Neubauten – soweit wirtschaftlich vertretbar –
aus Holz errichtet werden mussten. Dagegen formierte
sich indes rasch der Widerstand der Zement- und
Ziegelindustrie, aber auch von Planern und sogar
des UK Green Building Council. Um drohenden
­Klagen zuvorzukommen, machte die Verwaltung
einen Rückzieher und sucht seither die Holzbau­
weise auf eher informellem Wege – durch Infor­
mations­kampagnen und Gespräche mit bauwilligen
Investoren – zu fördern. Die Erfolge sind unverkenn­
bar: Mit Banyan Wharf von Hawkins\Brown (2016,
50 Wohneinheiten) und Dalston Lane von Waugh
Thistleton Architects (2017, 121 Wohneinhei­ten)
­entstanden im Bezirk die bisher größten Holz­
bauten im Land. Beide wurden von der Wohnungs­
bau­gesell­schaft Regal Homes finanziert und sind
bis zu zehn Geschosse hoch. Während Dalston
Lane bis auf das Erdgeschoss, aber einschließlich
der Aufzugskerne komplett aus Brettsperrholz
­errichtet wurde, kamen bei Banyan Wharf auch
Stahlträger zum Einsatz, um g
­ rößere Decken­
spannweiten zu realisieren und damit flexibler für
spätere Grund­riss­änderungen zu sein. Mit seiner
Lärchenholz­verschalung deutet der Neubau von
Hawkins\Brown immerhin an, dass er aus Holz
besteht. Sonst sind bei den zeitgenös­sischen Lon­
doner Holzbauten Vormauerungen aus Ziegel die
Regel – aufgrund von Vorschriften der örtlichen
Behörden, aber auch im vorauseilenden Gehorsam
der Bauträger, die ihre Neubauten in das tradierte
Londoner Stadtbild einzufügen suchen.
Laut Andrew Waugh von Waugh Thistleton
Architects hat die Holzbauweise nicht nur ökologi­
sche, sondern auch ganz alltagspraktische Vorteile.
Dank der Vorfertigung erlaubt sie geringere Maßtole­
ranzen, verursacht bis zu 80 % weniger Baustellen­
verkehr als ein traditioneller Ortbetonbau und geht
außerdem schneller vonstatten. Bei Dalston Lane
betrug die errechnete Zeitersparnis für den Rohbau
rund 25 %. Zeit war auch der Hauptgrund für den
Bezahlsender Sky, sein neues Büro- und Schulungs­
gebäude im Westen von London nahezu komplett
aus Holz errichten zu lassen. Für Entwurf und Pla­
nung benötigte der Generalplaner Arup ganze drei
Monate. Die Konstruktion basiert auf einem Brett­
schichtholzskelett im Raster von 6 × 8 Metern, in das
Deckenelemente aus Brettsperrholz eingehängt wur­
29
Simon Kennedy
Holzbau in der Stadt Timber Construction in the City
largest timber residential buildings to date were
both erected in this district. Both financed by the
housing company Regal Homes they are up to ten
storeys high. While Dalston Lane was built entirely of
cross laminated timber – apart from the ground floor
but including the lift core, in Banyan Wharf steel
beams were used to achieve greater ceiling spans
that would facilitate later changes to the floor plans.
With its larch cladding the new building by Hawkins\
Brown at least suggests that it is made of wood,
whereas in most other contemporary timber buildings
in London brick facing walls are the rule. This is due
to local authority regulations but also because developers, eager to avoid controversies, attempt to integrate their new buildings in London’s traditional
appearance.
According to Andrew Waugh from Waugh
Thistleton Architects the advantages of timber are
not only ecological but also very practical. Thanks
to prefabrication it allows lower dimensional tolerances, creates up to 80 % less building site traffic
than a traditional in-situ concrete building, and can
be erected more quickly. In the case of Dalston Lane
the time saved in erecting the building shell was
­calculated as around 25 %. Time considerations also
played the major role in the decision by the pay TV
company Sky to have its new office and training
building in west London erected almost entirely of
timber. The general planner Arup required just a three
month design and planning period. The construction
is based on a glulam frame with a 6 × 8 metre grid, in
den. Die Fassaden bestehen aus ­vorgefertigten Holz­
tafelelementen. Durch die Über­dimensionierung der
Holzbauteile war es möglich, auf Gipskartonver­
kleidungen und eine Sprinklerung zu verzichten.
Eine Besonderheit des Londoner HolzbauBooms ist, dass das benötigte Baumaterial zu
­großen Teilen aus Österreich und Skandinavien
importiert wird. Bis heute gibt es in Großbritannien
keine Fertigungsstätte für Brettsperrholz. Und auch
die Holzvorräte sind begrenzt. Nur 13 % der Land­
fläche sind bewaldet. Zwar hat sich die Holzproduk­
tion seit den 1980er-Jahren fast verdreifacht, doch
noch immer führt das Land vier Fünftel seines
­Holzbedarfs aus dem Ausland ein. In den kommen­
den Jahren könnte es noch mehr werden, weil in
­Großbritannien zwar viel Wald abgeholzt, aber nur
wenig wieder aufgeforstet wird – und wenn doch,
dann mit für den Holzbau schwer nutzbaren Laub­
hölzern. Mehr als 40 % der britischen Wälder werden
überhaupt nicht bewirtschaftet, weil den (meist priva­
ten) Eigentümern dafür die Anreize fehlen. Die holz­
verarbeitende Industrie hofft daher auf den Brexit:
Danach wäre es der britischen Regierung erlaubt,
direkte Subventionen an die Forstwirtschaft zu zahlen.
Bisher ist die Verwendung von EU-Agrarsubventionen
in diesem Bereich ausgeschlossen.
Schweden: aus dem Dornröschenschlaf erwacht
Ausgerechnet Schweden, heute das waldreichste
Land der EU, erließ im 19. Jahrhundert eines der res­
triktivsten Brandschutzgesetze weltweit. Nach meh­
reren verheerenden Stadtbränden wurde 1875 der
Bau von Holzhäusern mit mehr als zwei Geschossen
komplett verboten. Das änderte sich erst mit dem
EU-Beitritt der Schweden 1994 wieder. Seither
­schreiben die Brandschutzbestimmungen nicht mehr
die Nichtbrennbarkeit der Baumaterialien in höheren
Gebäuden vor, sondern machen Vorgaben zur einzu­
haltenden Feuerwiderstandsdauer. Doch die Reak­
tion der (von wenigen Großkonzernen dominierten)
schwedischen Baubranche auf die Neuerung war
schleppend. Nach dem langen Verbot mangelte es
an Planungskompetenz für mehrgeschossige Holz­
baukonstruktionen und Verarbeitungskapazitäten für
die dafür notwendigen Werkstoffe. Erst nach und
nach (und oft in Zusammenarbeit mit Hochschulen)
begannen die Baufirmen, entsprechende Bausys­
teme zu entwickeln. Heute hat der Holzbau bei
schwedischen Einfamilienhäusern einen Marktanteil
von 80 – 85 %, bei den Mehrfamilienhäusern sind es
(noch) unter 10 %.
Auf fruchtbaren Boden fiel die Holzbauweise
vor allem im südschwedischen Växjö. Die 80 000-­
Einwohner-Stadt hatte schon 1996 beschlossen, bis
2050 komplett CO2-neutral werden zu wollen. Ein
Jahr zuvor war in Växjö das landesweit erste fünf­
geschossige Wohnhaus aus Holz entstanden, das
jedoch in der Folge kaum Nachahmer fand. Erst
um 2005 setzte eine neue Dynamik ein, vor allem im
Zusammenhang mit dem Stadtteil Välle Broar im
Süden von Växjö. 2009 entstanden dort im Neubau­
quartier Limnologen vier achtgeschossige Wohn­
hochhäuser aus Brettsperrholz, 2010 zwei weitere
1/2.2018
Marktanteil des Holzbaus bei Einfamilienhäusern (2015)
Market share of timber
construction in the area
of single-family houses
(2015)
Schweden
Sweden
85%
Schottland
Scotland
75%
Dänemark
Denmark
10%
England
9%
∂
which the cross laminated timber ceiling elements
are hung. The facades use prefabricated timber
panel elements. By over-dimensioning the timber
structure the need for plasterboard cladding and a
sprinkler system could be obviated.
A special aspect of London’s timber building
boom is that most of the material needed is imported
from Austria and Scandinavia. As yet Great Britain
has no production facilities for cross laminated timber. Timber supplies are also limited, as only 13 %
of the land area is forested. Although timber production has almost tripled since the 1980s the country
still imports four-fifths of the timber it needs. And
this figure could well increase in the years to come,
as a lot of woodland is being cleared in Great Britain
with little reforestation which, where carried out,
­generally employs hardwoods, which are difficult to
use in timber building. More than 40 % of British forests are not managed, as there are no incentives
for the (mostly private) owners. The timber processing industry is therefore placing its hopes on Brexit:
­leaving the EU would allow the British government
to pay direct subsidies to the forestry sector. At present the EU forbids the use of agricultural subsidies
in this area.
Sweden: sleeping beauty awakens
Today the EU’s most heavily forested country, in the
19th century Sweden passed the world’s most
restrictive fire protection legislation. After a number
of disastrous city fires, in 1875 the construction of
timber houses more than two-storeys high was completely forbidden. This only changed when Sweden
joined the EU in 1994. Since then, instead of stipulating non-flammable materials in taller buildings, the
fire protection regulations impose fire resistance
requirements. However the Swedish building industry
(which is dominated by a few large companies) has
responded only sluggishly to this change. After the
long prohibition there was a lack of design competence in the area of multi-storey timber building and
of processing capacity for the material needed. The
building firms began only gradually to develop the
requisite construction systems (often in collaboration
with the universities). In Sweden today timber building has a market share of 80 – 85 % in the area of
single­-family housing, in multi-storey housing the
­figure is (still) less than 10 %.
Timber building methods have enjoyed success
above all in Växjö in southern Sweden. In 1996 this
city (population 80,000) decided that it wished to be
completely CO2-neutral by 2050. The country’s first
five-storey residential building had been erected in
Växjö one year earlier, but was not followed by many
others. A new dynamic emerged in 2005, above all
in connection with the Välle Broar district in the south
of Växjö. In 2009 four eight-storey apartment buildings built of cross laminated timber were erected in
the city’s new build district of Limnologen followed in
2010 by two further eight-storey passive house buildings in nearby Portvakten. The Vallen housing complex, completed in 2015, is nine storeys high and has
a timber frame structure in which hollow box floor
Datenquellen für Grafik / Data sources for graphics: Statistics Finland, Progonsesenteret, TMF Sweden, NHBC Foundation
30 Essay Holzbau in der Stadt Timber Construction in the City
Tord-Rikard Söderström
Achtgeschosser in Passivhausbauweise im nahe
gelegenen Quartier Portvakten. Sogar neun Ge­­
schos­se hoch ist der Wohnkomplex Vallen, der
2015 fertiggestellt wurde und aus einer Holzskelett­
konstruktion mit eingehängten Hohlkastendecken
besteht. 2013 untermauerte Växjö den eingeschlage­
nen Kurs mit einem Stadtratsbeschluss. Ihm zufolge
sollen bis 2020 25 % und bis 2025 die Hälfte aller
Neubauten der öffentlichen Hand und der kommuna­
len Wohnungsbauunternehmen in Holzbauweise
errichtet werden.
Mitunter betätigen sich aber auch einzelne Woh­
nungsbauunternehmen als Antreiber für den urbanen
Holzbau. In Sundbyberg am Stadtrand von Stockholm
etwa realisierte die Firma Folkhem gemein­sam mit
dem Architekturbüro Wingårdhs 2013 und 2014 zwei
achtgeschossige Wohnhäuser in Massivholzbauweise
mit charakteristischer Holzschindelverkleidung. Die
hohen, schmalen Wohnscheiben besitzen Wände und
Dächer aus Brettsperrholz sowie Plattenbalkendecken
aus Brettsperr- und Brettschichtholz.
Zuvor hatte Folkhem lediglich Einfamilienhäuser
in Holzbauweise errichtet. Nun hat das Unternehmen
den Beschluss gefasst, auch im Mehrfamilienhaus­
bau nur noch Holzhäuser zu bauen. Bis 2030 will es
in und um Stockholm 18 Wohnungsbau­projekte mit
insgesamt 6000 Wohnungen errichten, von denen
31
In Sundbyberg westlich von Stockholm
plante das Architekturbüro Wingårdhs
2013 zwei achtgeschossige Wohnriegel
für das Wohnungsbauunternehmen
Folkhem. Weil das
Gewicht der Häuser
nur rund ein Drittel
­e ines gleich großen
Betonbaus beträgt,
sind sie mit langen
Zugstäben im Fundament verankert.
In 2013 the architects
from Wingårdhs
design­e d two eightstorey housing blocks
for the housing construction company
Folkhem in Sundbyberg,
west of Stockholm.
As their weight is only
about a third that of a
similarly sized concrete
building, long tension
rods were used to
­a nchor the timber buildings in the foundations.
slabs are hung. In 2013 a decision by Växjö town
council confirmed the direction taken: by 2020 25 %
and by 2035 half of all new buildings erected by
the state and communal housing companies are to
be timber built.
Today several housing construction companies
are also boosting timber construction in cities. In
2013 and 2014 in Sundbyberg on the periphery of
Stockholm the firm Folkhem, together with the architecture practice Wingårdhs, erected two eight-storey
apartment buildings in solid timber construction with
a distinctive wood shingle cladding. The walls and
roofs of the tall, narrow residential blocks are of
cross laminated timber, the ribbed ceiling slabs are
made from cross laminated timber and glulam.
Whereas previously Folkhem had used timber
only for single-family houses, it now decided to concentrate exclusively on timber building, also for multistorey housing. By 2030 the company intends to
build 18 housing projects in and around Stockholm
with a total of 6000 apartments, each project to be
designed by a different architecture office. These
plans include rather unassuming six-storey inner
city buildings as well as the new build complex
Loudden by Tham Videgård, which will consist of
four 20-storey timber high-rise buildings offering a
total of 220 apartments. Construction will start in
2025 at the earliest. In contrast two eight-storey
buildings designed by Petra Gipp Arkitektur are
already under construction in a new build district on
the urban periphery. The client came up with an unusual PR campaign to market these buildings: these
apartment blocks were the first buildings worldwide
to receive an environmental product declaration.
Usually this document is issued for individual products and provides detail of the ecological balance of
the materials contained in the product and of the
production processes.
Regulations and Laws
The experience In Hackney illustrates the difficulty of
formulating legally watertight regulations that favour
timber building and then pushing these through politically. In 2010 the French government had a similar
experience with a decree imposing the use of 0.2 m³
of timber-based materials per square metre floor area
in all new public buildings. In 2013 in response to legal
action by the cement and concrete industry the French
constitutional court declared the regulation anti-competitive and in 2015 the decree was annulled.
The municipal government of Helsinki met with
greater success at local level. It is planned that the
city will grow by more than a third by 2050. To facilitate this, following completion of a new industrial port
in the east of the city in 2007, large areas of the
old port around the inner city were cleared. For three
of the new build areas Helsinki inserted clauses in the
development plan explicitly requiring the use of timber
construction. Here, too, the Finnish concrete industry
lodged a complaint in 2015 but the highest administrative court declared the regulation legal.
On the site of a former barracks in the north-east of
the city Munich is currently developing a model resi-
1/2.2018
Ole Jais
32 Essay jedes von einem anderen Architekturbüro geplant
wurde. Darunter sind eher unscheinbare innerstädti­
sche Sechsgeschosser, aber auch der Neubau­
komplex Loudden von Tham Videgård, der vier
20-geschossige Holzhochhäuser und insgesamt 220
Wohnungen umfassen soll. Baubeginn dürfte frühes­
tens 2025 sein. Bereits im Bau sind hingegen zwei
Achtgeschosser nach Plänen von Petra Gipp Arkitek­
tur in einem Neubaugebiet am Stadtrand. Für ihre
Vermarktung ließ sich der Bauherr eine ungewöhnli­
che PR-Aktion einfallen: Als erste Gebäude weltweit
erhielten die Wohnhäuser eine Umweltproduktdekla­
ration. Dieses Dokument wird üblicherweise nur für
einzelne Bauprodukte ausgestellt und macht detail­
lierte Angaben zur Ökobilanz der darin enthaltenen
Materialien und der Herstellungsprozesse.
Vorschriften und Gesetze
Die Erfahrungen aus Hackney zeigen, wie schwer es
ist, juristisch wasserdichte Regelungen pro Holzbau
zu formulieren und diese dann auch politisch durch­
zusetzen. Ähnliche Erfahrungen musste auch die
französische Regierung machen, die 2010 in einem
Dekret für alle öffentlichen Neubauten die Verwen­
dung von 0,2 m3 Holzwerkstoffen pro Quadrat­
meter Geschossfläche vorschrieb. 2013 urteilte das
­fran­zösische Verfassungsgericht auf eine Klage der
Im schwedischen Växjö
sind in den letzten
zehn Jahren mehrere
größere Wohnanlagen
in Holzbauweise entstanden. Den Auftakt
machte Limnologen
(Arkitektbolaget,
2009) mit vier bis zu
acht­geschossigen,
­L-förmigen Geschosswohnungsbauten.
∂
In Växjö in Sweden
­s everal large timberbuilt housing complexes have been erected
during the last ten
years. A start was
made in Limnologen
(Arkitektbolaget, 2009)
with four to eight-­s torey
L-shaped blocks.
dential development with 500 dwelling units. Multistorey buildings provide three-quarters of the total
amount of housing space, with courtyard and row
houses making up the remainder. Alongside energyefficient construction timber building is also to be
encouraged here. The project is interesting above all
on account of the pragmatic assessment standard.
In all new buildings a certain amount of renewable
raw materials is to be used per square metre living
space. For single-family houses the minimum
requirement is 150 kg/m2, in the multi-storey housing
only 50 kg/m2. While this means that the smaller
houses on the site have to be built in timber frame or
solid timber construction, in principle the figure for
the apartment buildings could be achieved by a concrete building in which only the facades are made
from timber elements. It seems, however, that the
amount of wood used in building is considerably
more than the required minimum. In the framework of
a concept award system most of the sites were allocated to clients whose applications were successful
partly due to their intensive use of timber.
Hidden revolution
The examples cited above show that the renaissance
of urban timber building depends on numerous factors. New technical developments and a growing ecological awareness among the population are important
motors. In addition the legal framework, above all in
the area of fire protection, is most important. However,
the decisive measures to be taken are at local level –
with the clients and municipal administrations who
must make timber building one of their concerns.
The keepers of the Holy Grail of architecture
need not feel uneasy due to these new tendencies:
in contrast to many other ecologically motivated
innovations in building technology timber building
does not threaten to radically alter the appearance of
our cities and buildings. A tendency to use this
­construction material as a visible facade cladding is
discernible only in Scandinavia.
Holzbau in der Stadt Timber Construction in the City
Grafik adaptiert nach / Graphics adapted from: proHolz Austria: Zuschnitt 59 „In Zukunft Stadt“
Eine Revolution im Verborgenen
Die diskutierten Beispiele zeigen, dass die Renais­
sance des urbanen Holzbaus von zahlreichen Rand­
bedingungen abhängt. Technische Neuentwicklun­
gen und ein gestiegenes ökologisches Bewusstsein
in der Bevölkerung sind wesentliche Triebkräfte.
Wichtig sind außerdem die gesetzlichen Rahmen­
bedingungen, allen voran beim Brandschutz. Die
­entscheidenden Stellschrauben liegen jedoch auf
lokaler Ebene – bei den Bauherren und den Kommu­
nalverwaltungen, die den Holzbau zu ihrem Anliegen
machen müssen.
Die Gralshüter der Baukultur brauchen sich ob
der neuen Tendenzen jedenfalls nicht zu beunruhi­
gen: Im Gegensatz zu manch anderen ökologisch
motivierten Neuerungen in der Bautechnik droht der
Holzbau nicht, das Erscheinungsbild unserer Städte
und Gebäude von Grund auf zu verändern. Einzig
in Skandinavien zeichnet sich derzeit die Tendenz
ab, das Konstruktionsmaterial auch als Fassadenver­
kleidung sichtbar zu machen.
Ländervergleich:
So hoch darf man
mit Holz bauen.
Schweiz
Switzerland
≤ 7m
7 – 13 m
13 – 22 m
≤ 11 m
11 – 30 m
30 – 100 m
R 30 4)
R 60 4)
R 60 6)
28–50 m
< 28 m
3–8 Geschosse
3–8 floors
> 8 Geschosse
> 8 floors
R 30
R 60, K 260
R 90 A2
Großbritannien
UK
≤ 5m
6 – 18 m
18 – 30 m
> 30 m
R 30
R 60
R 90 5)
R 120
> 16 Geschosse
> 16 floors
Deutschland
Germany
3)
30 m
≤ 30 m
30–100 m
3)
3)
2)
≤ 16 Geschosse
≤ 16 floors
1)
≤ 30 m
13–22 m (GK 5)
7–13 m (GK 4)
≤ 7m (GK 3)
Permitted heights for
timber building in
­d ifferent countries
≤ 2 Geschosse
≤ 2 floors
Zement- und Betonindustrie hin, dass die Vorschrift
wettbewerbswidrig sei. 2015 wurde das Dekret außer
Kraft gesetzt.
Mehr Erfolg hatte auf lokaler Ebene die Stadt­
regierung von Helsinki. Die Stadt soll bis 2050 um
mehr als ein Drittel wachsen und hat dafür unter
anderem große Hafenareale rund um die Innenstadt
freigeräumt, nachdem 2007 weit im Osten von
­Helsinki ein neuer Industriehafen fertiggestellt wurde.
In drei der Neubaugebiete schreibt Helsinki durch
entsprechende Klauseln im Bebauungsplan explizit
eine Holzbauweise vor. Auch hiergegen klagte
2015 die finnische Betonindustrie, das höchste Ver­
waltungsgericht des Landes befand die Vorschrift
jedoch für rechtmäßig.
Die Stadt München entwickelt derzeit auf einem
ehemaligen Kasernengelände im Nordosten der
Stadt eine ökologische Mustersiedlung mit 500 Wohn­
einheiten. Drei Viertel der Wohnfläche entfallen auf
Geschosswohnungsbauten, der Rest auf Atrium- und
Reihenhäuser. Neben einer energieeffizienten Bau­
weise soll hier auch der Holzbau gefördert werden.
Interessant ist das Projekt vor allem aufgrund des
pragmatischen Bewertungsmaßstabs. In allen Neu­
bauten muss eine bestimmte Menge an nachwach­
senden Rohstoffen pro Quadratmeter Wohn­fläche
verbaut werden. Für die Einfamilienhäuser beträgt
die Mindestanforderung 150 kg/m2, im Geschoss­
wohnungsbau dagegen nur 50 kg/m2. Während die
kleinen Wohnhäuser auf dem Areal somit in Holz­
rahmen- oder Massivholzbauweise errichtet werden
müssen, lässt sich der Wert für die Mehrfamilien­
häuser prinzipiell auch mit einem Betonbau erreichen,
bei dem lediglich die Fassaden aus Holztafelelemen­
ten bestehen. Der tatsächlich erreichte Holzanteil
in den Konstruktionen dürfte jedoch um einiges über
den Mindestvorgaben liegen. Denn der größte Teil
der Grundstücke ging im Rahmen einer Konzept­
vergabe an die späteren Bauherren. Dabei konnten
diese unter anderem mit verstärktem Holzeinsatz
punkten.
33
2)
2)
Finnland
Finland
Frankreich
France
Schweden
Sweden
1 – 2 m R 30
3 – 8 mR 60,
K 210/K 2 30
> 8 m R 120
< 28 m
R 60
28 – 50 m R 90
≤ 4m
5 – 15 m
1 Kapselung erforderlich
Encapsulation required
2 objektspezifisches
Brandschutzkonzept erforderlich
Building-specific fire
protection concept
required
3 Sprinklervollschutz
erforderlich
Full sprinkler protection required
4 bei Sprinkler ­voll­
schutz Reduktion
um 30 Min.
With full sprinkler
­p rotection, reduction
by 30 minutes
5 bei Sprinklervollschutz Reduktion
um 30 Min.
(gilt nicht für Wohngebäude)
With full sprinkler protection, reduction
by 30 minutes (does
not apply to residential buildings)
6 lineare Bauteile
­normal brennbar,
flächige Bauteile
schwer brennbar
Linear building parts:
normal flammability,
parts with large
­s urface area: flame
retardant
R 60
R 90